Brensbach bleibt Partner im Bündnis „Odenwald gegen Rechts – Bunt statt Braun“

Ein ungewöhnliches Bild bot sich den Gemeindevertretern bei der Sitzung am 20. März 2025: Der Sitzungssaal war bis auf den letzten Platz besetzt, und überwiegend junge Brensbacherinnen und Brensbacher hatten sich eingefunden. Dies war nicht überraschend, denn die Sitzung sollte einen Wendepunkt im politischen Diskurs in Brensbach markieren.

Die UWG brachte einen Antrag ein, in dem sie den Austritt aus dem Bündnis „Odenwald gegen Rechts“ forderte. In ihrem Antrag hieß es: „Die Gemeinde beendet ihre Mitgliedschaft in dem Bündnis ‚Odenwald gegen Rechts‘, um jeglichen Anschein einer parteipolitischen Einflussnahme zu vermeiden.“

Die SPD-Fraktion trat diesem Antrag entschieden entgegen. In voller Stärke war die SPD-Fraktion anwesend, und während die Reihen der anderen Fraktionen sichtlich gelichtet waren, lag die Mehrheit deutlich bei den Sozialdemokraten. Diese stellten klar: „Die Mitgliedschaft der Gemeinde Brensbach im Bündnis ‚Odenwald gegen Rechts‘ stellt weder eine parteipolitische Positionierung dar, noch verstößt sie gegen das Neutralitätsgebot. Vielmehr ist sie ein klares Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Förderung von Demokratiearbeit.“

In einer ausführlichen Rede versuchte die SPD-Fraktion, den Kollegen der UWG näherzubringen, warum deren Argumentation in der aktuellen politischen Lage nicht tragfähig sei. Doch die Argumente der SPD wurden nicht gehört. Erst durch massiven politischen Druck zog die UWG-Fraktion ihren Antrag zurück, noch bevor er von der SPD abgelehnt worden wäre.

Fazit: Brensbach bleibt Mitglied im Bündnis „Odenwald gegen Rechts“. Der Verlauf der Sitzung wirft jedoch viele Fragen auf.

Lesen Sie hier die ausführliche Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Christian Senker

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Damen und Herren,
liebe Gäste,

die AfD hat bei der Bundestagswahl am 23.Februar in der Gemeinde Brensbach mit 24,66 Prozent das stärkste Ergebnis im gesamten Wahlkreis Odenwald bekommen. Zu Erinnerung: Die AfD ist eine in Teilen gesichert rechtsextremistische Partei.
Wenn ein Viertel der Brensbacher Wählerinnen und Wähler dieser Partei die Stimme gibt, müssen wir uns die Frage stellen, ob sie dies trotz oder sogar wegen deren menschenverachtenden und rassistischen Aussagen getan haben.
In unserer Gemeinde leben Menschen aus 50 Ländern. In den letzten Jahren ist es hier immer wieder mit großem Engagement gelungen, geflüchtete Familien und Jugendliche aufzunehmen.

Für uns in der SPD war dieses Wahlergebnis ein Schock. Nicht nur aufgrund der politischen Konsequenzen, sondern, weil wir wissen, wie sehr dieses Wahlergebnis diejenigen verletzt, die in unserer Gesellschaft Zuflucht und Anerkennung gefunden haben. Für sie muss es ein Schlag ins Gesicht sein, zu sehen, wie hoch die Zustimmung für eine Partei ist, die permanent mit rassistischen und diskriminierenden Aussagen in Erscheinung tritt.

Die Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte ist real und akut

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation ist ernst. Die Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte ist real und akut. Das ist uns im Odenwaldkreis nicht erst seit der Wahl bekannt. Schon als ich 2016 im ehemaligen Landschulheim mit geflüchteten Jugendlichen gearbeitet habe, ist es mehrfach vorgekommen, dass Menschen nachts mit dem Auto dorthin gefahren sind, um „Scheiß Ausländer“ zu brüllen. Am Tag nach der Wahl habe ich in der GAZ erlebt, dass ein Sechstklässler zu einer Mitschülerin sagte: „Du wirst jetzt abgeschoben.“ Und das Kind antwortete: „Hier will ich sowieso nicht bleiben.“

Ausländische Mitbürger in Brensbach berichten unseren Fraktionsmitgliedern, dass ihre Nachbarn sie meiden oder ihnen als Provokation stolz ins Gesicht gesagt haben, dass sie die AfD gewählt haben. Solche Vorfälle passieren hier – bei uns in Brensbach.

Der Antrag der UWG-Fraktion irritiert uns zutiefst

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Antrag der UWG-Fraktion irritiert uns in der SPD zutiefst. Er ist inhaltlich falsch, fußt auf unbegründeten Vorwürfen und wirft die Frage auf, warum er gerade jetzt, direkt nach der Wahl, so plötzlich auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Die UWG-Fraktion springt hier auf einen Zug auf, ohne zu begreifen, wohin diese Reise uns tatsächlich führen würde. Diese Art der Angriffe gegen das „Odenwälder Bündnis gegen Rechts“ ist nicht neu. Wir haben bereits in der Vergangenheit darüber diskutiert. Damals war diese Diskussion unangebracht, heute ist sie noch weniger gerechtfertigt.

Die UWG macht sich, so kommt es mir vor, zum Sprachrohr anderer, ohne zu bedenken, was wirklich auf dem Spiel steht. Deshalb halte ich es für notwendig, auf diesen Antrag im Detail einzugehen, denn ich halte ihn in seiner Konsequenz für sehr gefährlich.

In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass die Gemeinde dem Bündnis „Odenwald gegen Rechts“ am 19. Dezember 2019 beigetreten sei, in der Annahme, es handele sich um eine überparteiliche Initiative gegen Extremismus.
Der Beitritt zum Bündnis im Jahr 2019 erfolgte jedoch auf Initiative einer Gruppe junger Menschen aus dem Jugendraum, die sich an die Gemeinde wandten, um „ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen“. Sie waren überzeugt, dass dies durch eine sichtbare Partnerschaft der Gemeinde Brensbach im Bündnis „Odenwald gegen Rechts – Bunt statt Braun“ umgesetzt werden könne.

Das Bündnis steht in erster Linie für Menschenrechte und Demokratie

Wofür steht nun dieses Bündnis? In erster Linie für Menschenrechte und Demokratie. Es steht im Umkehrschluss natürlich gegen Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und besonders gegen rechte Gewalt. Darüber hinaus dokumentiert das Bündnis die Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen im Odenwaldkreis – und es ist erschreckend, was dabei seit der Gründung zutage gefördert wurde.

Ich möchte Sie daher bitten, in der UWG-Fraktion nur für sich selbst zu sprechen. Der Beitritt zum Bündnis wurde damals mit den Stimmen der SPD-Fraktion beschlossen, und wir wussten damals und wissen auch heute noch ganz genau, wofür dieses Bündnis steht und wogegen es sich engagiert.

Nun behaupten Sie, dass „in den letzten Jahren gezeigt wurde, dass die Aktivitäten dieses Bündnisses nicht immer mit der gebotenen politischen Neutralität vereinbar sind“. Was genau meinen Sie hier? Sie stellen Behauptungen auf, die weder begründet noch belegt sind.

„Odenwald gegen Rechts – Bunt statt Braun“ ist eine Initiative von Odenwälder Bürgerinnen und Bürgern

Das Bündnis wurde im Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet und erhielt die Landesauszeichnung „Soziales Bürgerengagement“ vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Außerdem ist das Bündnis in das Bundesprogramm Demokratie leben aufgenommen worden.
Im Kern besteht das Bündnis aus Privatpersonen, die sich ehrenamtlich engagieren, und wird durch öffentliche Einrichtungen, Kommunen, freie Träger, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien unterstützt. Die Mitarbeit im Bündnis steht allen demokratischen Kräften im Odenwaldkreis offen.

Die UWG verwechselt Demokratiearbeit mit Parteipolitik

Woran machen Sie also eine angebliche Verletzung des Neutralitätsgebots fest, und wie genau könnte durch die Mitgliedschaft im Bündnis „Odenwald gegen Rechts“ der Eindruck entstehen, dass sich die Gemeinde parteipolitisch positioniert?
Es ist ganz einfach: Die UWG-Fraktion verwechselt hier Demokratiearbeit mit Parteipolitik. Lassen Sie mich dazu ein Zitat aus einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Mainz, anführen:

„Die streitbare Demokratie berechtigt und verpflichtet den Staat sowie andere öffentliche Träger zu präventivem Wirken durch Öffentlichkeitsarbeit und andere Formen von Information, Beratung und Werbung für demokratische Werte sowie zur Warnung vor verfassungs- und demokratiegefährdenden Kräften und Positionen. Das heißt: Bund, Länder und Gemeinden haben die Pflicht, sich für die Stabilität und Fortentwicklung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzusetzen, Gefahren abzuwehren und vorzubeugen. (…) Demokratiearbeit und politische Bildung sind insofern verpflichtende Staatsaufgaben, die auch und gerade durch freie Träger wahrgenommen werden können. (…) Wie jede Bildung und Erziehung kann auch politische Bildungsarbeit unter dem Grundgesetz und den Landesverfassungen niemals neutral sein. Sie richtet sich vielmehr stets auf ethische Werte und Verfassungsziele. Das bedingt prinzipiell eine Absage an Sexismus, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Europafeindlichkeit (…) auch dann, wenn solche Positionen durch eine nicht verbotene politische Partei vertreten werden.“

Die Bekämpfung von extremistischen und diskriminierenden Positionen gehört zur staatsbürgerlichen Verantwortung

Dieses Zitat verdeutlicht, dass politische Bildung und Demokratiearbeit – gerade in einem Land mit einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – niemals neutral im Sinne von „wertfrei“ sein können. Die Bekämpfung von extremistischen und diskriminierenden Positionen gehört zur staatsbürgerlichen Verantwortung, auch in der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie dem Bündnis „Odenwald gegen Rechts“.

Schauen Sie sich die tatsächlichen Aktivitäten des Bündnisses an. Diese entkräften die unbegründeten Behauptungen im UWG-Antrag eindeutig.

Die Gemeinde Brensbach unterstützt diese Aktivitäten durch die Partnerschaft im Bündnis und drückt dies auch sichtbar aus, durch die Verwendung des Gemeindelogos auf der Homepage von „Odenwald gegen Rechts“. Das ist ein klares Signal, dass die Gemeinde sich hinter die Arbeit des Bündnisses stellt und sich aktiv für die Stärkung der Demokratie und den Schutz vor extremistischen Kräften einsetzt.

Ein weitere Behauptung der UWG ist, dass die Definition von „Rechts“ zunehmend ausgeweitet wird und demokratisch legitimierte Parteien mit einbezogen werden. Diese Behauptung bleibt jedoch eine rein subjektive Wahrnehmung. In der allgemeinen politischen Diskussion wird „gegen Rechts“ 0mit einer Haltung gegen rechtsextreme Positionen verbunden – und nicht als Haltung gegen alle Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums. Auch der Zusatz „Bunt statt Braun“ im Bündnisname lässt hieran überhaupt keine Zweifel.

Im Gegenteil ist das Bündnis Odenwald gegen Rechts immer wieder sehr bemüht darin, den Kontakt auch zu konservativen Kräften zu suchen. Denn diese repräsentieren einen wesentlichen Teil des politischen Spektrums und könnten im Kampf gegen Rechtsextremismus eine wesentliche Rolle spielen.
Stattdessen wird nun insbesondere von der CDU versucht, kritischem zivilgesellschaftlichen Engagement die Legitimation zu entziehen. Wir erleben das im Bund und nun auch im Odenwaldkreis. Liebe Kollegen der UWG-Fraktion, ist es nun politisches Kalkül oder Naivität, dass Sie bereitwillig auf diesen Zug aufgesprungen sind?

Die Mitgliedschaft im Bündnis ist ein klares Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Zusammenfassend stelle ich fest: Die Mitgliedschaft der Gemeinde Brensbach im „Bündnis Odenwald gegen Rechts“ stellt weder eine parteipolitische Positionierung dar, noch verstößt sie gegen das Neutralitätsgebot. Vielmehr ist diese Mitgliedschaft ein klares Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für die Förderung von Demokratiearbeit.

Die parteipolitische Neutralität der Gemeinde ist durch das Grundgesetz garantiert und bedarf daher keines gesonderten Beschlusses der Gemeindevertretung.

Extremismus in jeglicher Form widerspricht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dem gilt es präventiv durch Demokratiearbeit entgegenzutreten. Dabei sollte jedoch klar sein, dass nicht alle Formen von Extremismus gleich behandelt werden können. Besonders hervorzuheben ist, dass die Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte im Odenwaldkreis nachweislich eine durchaus konkrete Gefahr darstellt. Auf die Initiative von Odenwald gegen Rechts ist es gelungen Fördermittel für das Programm „Demokratie leben!“ in den Odenwaldkreis zu holen. Hierüber bietet sich dem Kreis die große Chance, dass trotz knapper Kassen Demokratiebildung über Vereine und Initiativen gelingen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen ich fordere Sie hiermit auf, hinterfragen Sie ihre Haltung hier und jetzt. Ich erinnere Sie an unseren gemeinsamen Resolutionsbeschluss für eine wehrhafte Demokratie im Februar letzten Jahres. Kehren Sie zu dieser Linie zurück und verlassen Sie den Irrweg, den Sie mit diesem Antrag begangen haben.

Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Ziehen Sie diesen Antrag heute zurück. Stattdessen laden wir das Bündnis „Odenwald gegen Rechts“ in den Sozialausschuss ein, um uns über deren Aktivitäten zu informieren und vor allem, um gemeinsam darüber zu beraten, wie wir in Brensbach im Sinne der Demokratiebildung zusammenarbeiten können. Dies könnte zum Beispiel auch in Zusammenhang mit dem Förderprogramm „Demokratie leben!“ diskutiert werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Mit freundlichen Grüßen
Christian Senker