Ein Beitrag von Christian Senker
Als Mitglied des Gemeindeparlaments der Gemeinde Brensbach und als Anwohner des Ortsteils Wersau bin ich mitten in der Diskussion über die Idee eines interkommunalen Bürgerwindpark. In diesem Beitrag möchte ich meine Gedanken zum aktuellen Stand der Dinge teilen und zur Debatte beitragen.
Worum geht es?
Die Idee des „Interkommunalen Bürgerwindparks“ wurde von der Interessengemeinschaft „Erneuerbare Energie Groß-Bieberau“ ins Leben gerufen. Geplant ist die Errichtung von bis zu fünf Windkraftanlagen im Waldgebiet zwischen den vier Gemeinden Groß-Bieberau, Brensbach, Fischbachtal und Fränkisch-Crumbach. Auf Brensbacher Gemarkung, im Wersauer Wald, ist eine Fläche als Vorranggebiet für Windkraftnutzung im Flächennutzungsplan ausgewiesen, auf der theoretisch bis zu zwei Windkraftanlagen errichtet werden könnten.
Was ist bisher geschehen?
Im Januar lud die Interessengemeinschaft die Mandatsträger der vier beteiligten Gemeinden nach Groß-Bieberau ein, um sie über das Projekt zu informieren. Ziel war es, zu erörtern, wie die Gemeinden vor Ort einen größeren Beitrag zur Nutzung erneuerbarer Energien leisten können – idealerweise in Form einer Bürgergenossenschaft, bei der die Anwohner direkt in das Projekt eingebunden werden.
Das Projekt wurde unter dem Motto „Enkelgerechte Zukunft“ vorgestellt, was eine klimaneutrale Energiegewinnung mit dem Ziel der Reduktion des CO2-Austoßes beinhaltet.
Zum Hintergrund:
Im September 2024 hat die Stadtverordnetenversammlung Groß-Bieberau beschlossen, zu prüfen, „ob und an welchen Standorten in der Groß-Bieberauer Gemarkung Windkraftanlagen errichtet werden könnten“, welche Energieinfrastruktur benötigt wird und welche Flächen für den Bau sowie die spätere Wartung der Anlagen erforderlich wären. Dabei wurde das Ziel verfolgt, das Projekt als gemeinsames Vorhaben mit den Nachbargemeinden zu gestalten.
Die Interessengemeinschaft nahm sich dieses Auftrags an und begann mit der Sammlung von Informationen, um eine erste „Potentialanalyse“ vorzubereiten.
Im Januar wurde den Mandatsträgern der vier Gemeinden die Projektidee mit dem aktuellen Stand der Informationen vorgestellt. Dabei wurden neben den möglichen Standorten auch Fragen zum potenziellen Energieertrag, zur Laufzeit, zum Rückbau und zu den ökologischen Rahmenbedingungen erörtert. Besonders relevant aus meiner Sicht: Die angedachten Flächen grenzen an ein Flora-Fauna-Habitat (FFH-Schutzgebiet) sowie an ein Wasserschutzgebiet.
Welche konkreten Überlegungen gibt es?
In der Projektvorstellung durch die Interessengemeinschaft wurde erläutert, dass es theoretisch möglich wäre, zwei Windkraftanlagen auf der Vorrangfläche im Wersauer Wald zu errichten – unter der Voraussetzung, dass alle gesetzlichen Abstandsregeln eingehalten werden. Es sei auch denkbar, zwei weitere Anlagen im Wald von Groß-Bieberau und eventuell eine weitere auf Fränkisch-Crumbacher Gebiet zu bauen, wobei das letzte Grundstück in Privatbesitz ist.
Da die einzige als Vorranggebiet ausgewiesene Fläche in der Gemeinde Brensbach liegt, könnte die Entscheidung der Brensbacher Gemeindevertretung maßgeblich für das Gesamtprojekt sein. Der Ausschuss für Bauen, Umwelt und Landwirtschaft der Gemeinde Brensbach ludt die Interessengemeinschaft am 13. März 2025 zu einer Sitzung ein, um das Projekt öffentlich zu erörtern.
In der Sitzung wurde das Projekt erneut vorgestellt. Auch die anwesenden Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Fragen und Bedenken einbringen. Es wurde deutlich, dass das Vorhaben nach wie vor wenig konkretisiert ist und noch viele Fragen offen sind. Der Austausch war sachlich, wobei neben der Euphorie der Befürworter auch kritische Stimmen laut wurden, die vor den möglichen Eingriffen in den Wersauer Wald warnten und den Kosten-Nutzen-Aspekt infrage stellten.
Meine persönlichen Bedenken
Ich habe in der Sitzung Fragen zum Eingriff in den Wald gestellt, da der Wert eines Waldes nicht allein in den CO2-Einsparungen gemessen werden kann. Der Wald hat einen intrinsischen Wert – sowohl ökologisch als auch als Erholungsraum. Nach den Angaben der Interessengemeinschaft würde pro Windkraftanlage etwa ein Hektar Waldfläche wegfallen, der teilweise wieder begrünt werden könnte.
Als jemand, der gerne in der Natur unterwegs ist und den Wersauer Wald von klein auf kennt, ärgere ich mich bereits jetzt über die Schäden, die immer wieder durch Forstmaschinen, unbefugte Fahrzeugnutzung im Wald oder illegale Müllentsorgung entstehen. Ich wünsche mir einen nachhaltigen und respektvollen Umgang mit unserem Wald. Entsprechend schmerzhaft ist für mich die Vorstellung eines so erheblichen Eingriffs in diesem Gebiet.
Die Notwendigkeit von Erneuerbaren Energien
Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Auch in unserer Gemeinde müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir einen Beitrag zur Energiewende leisten können. Neben der Biogasanlage in Brensbach gibt es bereits viele Haushalte, die Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern installiert haben. Auch wir haben zuhause eine solche Anlage und beobachten unseren Stromverbrauch mittlerweile viel genauer.
Das Engagement der Interessengemeinschaft aus Groß-Bieberau ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Ich kann dem Gedanken eines interkommunalen, genossenschaftlichen Projekts viel abgewinnen. Das Projekt mit fünf Windkraftanlagen im hiesigen Wald könnte jedoch über das eigentliche Ziel hinausschießen. Denn eine „enkeltaugliche Zukunft“ muss auch den Schutz der Natur vor Ort mit einbeziehen.
Der Dialog muss fortgesetzt werden
Nach der Sitzung bin ich selbst in den Wersauer Wald gegangen, um mein Bild von der topographischen Lage aufzufrischen. Als Laie erscheint mir die abschüssige Beschaffenheit des Geländes nicht ideal für Windkraftanlagen. Hinzu kommen die angrenzenden Schutzgebiete, die den ökologischen Wert des Waldes unterstreichen.
Dennoch halte ich es für wichtig, dass wir als Kommunalpolitiker uns weiterhin die Vorschläge und Ideen anhören. Denn aus diesem Dialog könnten eventuell alternative, weniger eingreifende Projekte hervorgehen.
Der Protest, der mittlerweile durch ein Banner mit der Aufschrift „Werscher wehrt Euch!“ vor unserem Ortseingang sichtbar wird, ist ebenfalls verständlich. Diese Bürgerinitiative betont den Wert des Waldes und der Natur als Naherholungsgebiet. Mich persönlich würde ein Schriftzug wie „Werscher setzt Euch ein, für Euren Wald!“ mehr ansprechen. Ich hoffe nämlich, dass sich dieses Engagement nicht nur gegen Windkraftanlagen richtet, sondern auch langfristig und aktiv für mehr Naturschutz im „Naturpark“ – Wersauer Wald eintritt.
Transparenz und Bürgerbeteiligung
Es ist wichtig zu betonen, dass in Brensbach noch keine Entscheidungen ohne die Öffentlichkeit getroffen wurden. Direkt nach der Projektvorstellung im Januar wurde von den Fraktionen der Gemeindevertretung der Wunsch geäußert, die Interessengemeinschaft in die öffentliche Ausschusssitzung einzuladen. Mehr Informationen als die, die in dieser Sitzung vorgestellt wurden, liegen uns als Mandatsträgern nicht vor. Es gibt noch keine Windstärkenanalyse und auch keine Kosten-Nutzen-Rechnung. Es gibt dazu auch keinen Auftrag der Gemeinde Brensbach. Derzeit wird lediglich in Eigeninitiative von der Interessengemeinschaft an weiteren Informationen gearbeitet. Diese können dann wiederum im öffentlichen Ausschuss vorgestellt und diskutiert werden. Ich gehe davon aus, dass es ganz ähnlich auch in den anderen Gemeinden gehandhabt wird. Und auch dort werden die Sitzungen öffentlich sein.
Mein Appell
Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Diskussion um die Energiewende einen respektvollen und sachlichen Dialog führen sollten. Als Mandatsträger möchte ich nicht unter moralischen Druck gesetzt werden, dass nur mit Windkraftanlagen im Wersauer Wald eine „enkeltaugliche Zukunft“ möglich wäre. Ich erwarte von den Befürwortern, dass sie ihre Argumente klar und fundiert darlegen und gleichzeitig die Bedenken der Gegner anerkennen.
Ebenso erwarte ich von den Gegnern der Projektidee, dass sie mir und anderen nicht unterstellen, dass ich mir über die Risiken zu wenige Gedanken mache oder aufgrund finanzieller Zwänge bereit bin, dem Projekt zuzustimmen. Ich wünsche mir eine sachliche Auseinandersetzung und einen fairen Umgang miteinander.
Statt Energie im „Gegeneinander“ zu verlieren, hoffe ich auf einen gemeinsamen Dialog zwischen der Interessengemeinschaft und der Bürgerinitiative, in dem wir konstruktiv an Lösungen für den Naturschutz und die Nutzung erneuerbarer Energien arbeiten. Ich bin überzeugt, dass beides nicht im Widerspruch zueinanderstehen muss und dass auch andere, vielleicht kleinere Projekte in unserer Region realisierbar sind.
In meiner Verantwortung als Kommunalpolitiker bin ich dazu bereit, in diesen Dialog zu treten und freue mich auf den weiteren Austausch.