Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Gemeindevertretung,
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeindevorstands,
Liebe Gäste,
wir machen Politik für unsere Gemeinde und wir machen Politik im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger. Politik macht Spaß. Ich erlebe es als spannend und lehrreich Teil der demokratischen Prozesse in den Gremien zu sein. Oft ist Politik auch anstrengend. Kostet Zeit, Nerven und Kraft. Manchmal fehlt die Leichtigkeit. Und manche fragen sich manchmal, warum tue ich mir das eigentlich an.
Jean-Jacques Rousseau hat gesagt: „Sobald einer über die Staatsangelegenheiten sagt „Was geht’s mich an?“, muss man damit rechnen, dass der Staat verloren ist.“
Was geht’s mich an. Ist das ein Ausdruck der Überlegenheit oder der Ignoranz – oder vielleicht doch ein Zeichen der Machtlosigkeit? Es mag in Zeiten vieler Krisen und angespannter Weltpolitik auch eine Art Schutz sein. Zu sagen „Was geht’s mich an“, schafft Distanz. Aber es ist auch ansteckend. Wenn zu viele zu oft sagen „was geht’s mich an“, und wenn sich zu viele nur noch dann bewegen, wenn sie das Gefühl haben ganz persönlich benachteiligt zu werden, wenn man die Gesprächsbereitschaft verlässt und wir Proteste wie gestern, am Aschermittwoch, bei einer Veranstaltung der Grünen erleben, dann öffnet das Tür und Tor für die Feinde unserer Demokratie.
Alice Weidel (AfD) forderte bereits: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“. Gewalt und Menschenverachtung wird legitimiert. Sandro Hersel von der AfD sagte zum Beispiel: „Brennende Flüchtlingsheime seien kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben“. Die Geschichte wird umgedichtet. Björn Höcke (AfD) sagte, es sei ein großes Problem, dass man Hitler als das absolut böse darstellt. Oder um Alexander Gauland (AfD) zu zitieren: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“.
Und das sind nur die öffentlich geäußerten Spitzen der Perversion. In einem internen Chat-Protokoll schrieb beispielsweise Marcel Grauf, der zu dieser Zeit Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten war: „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust wieder lohnen würde.“ So denken diese Menschen. Tür und Tor stehen offen. Das undenkbare wird wieder gedacht. Das unsagbare wird wieder gesagt. Schritt für Schritt haben die Rechtsradikalen und Faschisten die Grenzen des Sagbaren verschoben. „Was geht’s mich an“ hat dazu geführt, dass ihre hetzerischen Parolen in populistischen Äußerungen sprachfähig wurden. Es erscheint uns als ein schleichender Prozess aber ganz bestimmt ist das eine politische Strategie. Angst machen, Wut entzündet. Die gegen Uns. Wir gegen Die. Und das in der Gewissheit, dass ganz viele denken werden: „Was geht’s mich an?“
Das Recherchezentrum Correctiv hat aufgedeckt, was noch geheim bleiben sollte. Allzu überrascht dürfen wir nicht sein. Auf die Sprache folgen die Taten. Menschen sollen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.“. „Remigration“ nennen sie das. Die AfD selbst spricht sogar von „millionenfacher Remigration“.
Aber sie haben sich verschätzt. Viele Deutsche erinnern sich. Denn das geht uns alle an. Hunderttausende gehen seit Wochen im ganzen Land auf die Straßen, um zu zeigen, dass sie da sind. Das sie wachsam sind. Sie demonstrieren Geschlossenheit gegen diese nationalsozialistischen Ideen, gegen Fremdenhass und antidemokratische Bestrebungen. Bei der Kundgebung in Michelstadt habe ich ein Plakat mit der Aufschrift gelesen: „Ich würde heute lieber auf dem Sofa liegen, aber wegen Euch muss ich heute draußen stehen und demonstrieren“. Das hat mir sehr gut gefallen, denn es passt auch ein wenig zu unserer Arbeit in den Gremien. Demokratie erfordert Anstrengungen. Doch wenn wir die Straßen und die Parlamente den Rechtsradikalen überlassen, dann werden wir die Demokratie verlieren.
Heute haben sich die Fraktionen von SPD, CDU und UWG gemeinsam dafür entschieden eine Resolution für eine wehrhafte Demokratie zu verabschieden. Wir schließen uns damit dem Beschluss des Odenwälder Kreistages an, dessen Fraktionen diese Resolution entworfen und in Einigkeit beschlossen haben. Die Gemeindevertretung ist das höchste demokratische Organ unserer Gemeinde. Und mit dieser Resolution senden wir die klare Botschaft: Es geht uns alle an. Die demokratischen Kräfte stehen zusammen und sagen: Bis hierher und nicht weiter!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben auch allen Grund dazu. Erschreckende 22,2 Prozent hat die AfD bei der Landtagswahl im letzten Jahr in Brensbach erreicht. Und das, ohne tatsächliche Präsenz der AfD in unserer Gemeinde. Wir müssen uns fragen, wieso so viele Menschen die Rechtsextremen wählen. Viele suchen die Gründe in der Bundespolitik. Und ja, die Regierung sollte besser kommunizieren und in Einigkeit agieren und ja, die Opposition sollte konstruktive Vorschläge machen, statt oftmals in Populismus zu verfallen, wie wir es auch gestern. Am Aschermittwoch, wieder bei der CSU gesehen haben.
Aber eines sollten wir nicht tun, nämlich die Wählerinnen und Wähler zu entmündigen. Pfarrer Dieter Keim hat bei der Kundgebung in Fränkisch-Crumbach zutreffend gesagt: AfD-Wähler sind keine Protestwähler, sie sind AfD-Wähler. Zu wählen bedeutet auch Verantwortung für seine Wahl zu übernehmen.
Es ist unsere Aufgabe, mit diesem Uns meine ich alle Demokratinnen und Demokraten die dieser Resolution zustimmen können, sich gegenseitig zuzuhören, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam nach Kompromissen und Lösungen zu suchen. Es ist aber nicht unsere Aufgabe anderen Menschen nach dem Mund zu reden und es muss unsere Aufgabe sein, eine klare Grenze zu ziehen und dagegen zu halten, wenn falsche Aussagen getroffen werden oder gar rassische und antidemokratische Tendenzen in Gesprächen aufkeimen.
Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen Menschen die in der Gemeinde integriert sind und Teilhaben, den Wert unserer Demokratie schätzen und in der Lage sind dafür einzustehen. Im Verein, im Elternbeirat, bei der Feuerwehr, in den Kirchengemeinden, allgemein im Ehrenamt! Die Gemeindevertretung leistet dazu einen Betrag. Wir können uns dafür einsetzen diese Orte des demokratischen Miteinanders zu erhalten und zu stärken. Und ich bin sicher, wenn uns dies gelingt, haben wir auf die Frage: Warum tue ich mir das eigentlich an, stets eine sehr starke Antwort.
Ich danke zum Abschluss den Fraktionen von CDU und UWG für diese gemeinsame Resolution und allen Kolleginnen und Kollegen für die Zusammenarbeit hier in der Gemeindevertretung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion
Christian Senker, Fraktionsvorsitzender
Bild: Rolf Wilkes, Erbach